Schöne Töne aus der Röhre

Seit einigen Jahren trage ich mich schon mit dem Gedanken, einmal einen Hifi-Röhrenverstärker selber zu bauen. In grauer Vorzeit habe ich irgendwann einmal Rundfunk- und Fernsehtechniker gelernt.

Ja, das Original.

Dabei empfand ich die Welt der Elektronenröhren immer als faszinierend. Aber, so richtig dazu entschlossen, einen Verstärker selber zu bauen, habe ich mich erst vor ein paar Jahren und nun soll es dann auch los gehen. Dazu habe ich mir gedacht, dass ich nicht bei Null anfangen möchte und keine komplette Eigenentwicklung auf die Beine stellen werde. Die Erfahrung fehlt mir einfach in diesem Bereich. Allerdings schwebt mir vor, dass ich meinen heimischen Verstärker durch diesen Neubau ersetzen möchte und der leistet immerhin etwa 100 Watt je Kanal.

Damit war dann auch die grobe Zielrichtung klar.

Bei meiner Suche nach passenden Entwürfen bin ich dann, wie sollte es auch anders sein, bei Jogis Röhrenbude gelandet. Was für ein gigantischer Quell an Kreativität und Wissen! Unter allen Bauvorschlägen und Vorstellungen stach mir einer besonders ins Auge: eine Schaltung, die sich an einen Grommes 206A anlehnt von Herrn Ernst Rößler. Aus all den Varianten, die dort beschrieben werden, habe ich mich dann für die PPP-Version mit ganzen acht (8!) KT88 in der Endstufen entschieden, zusammen mit der aufgeführten neuen Netzteilvariante.
Was soll schon bei einem Erstlingswerk schief gehen? Dann doch gleich richtig. Wir werden sehen.
Das sollte es werden!

Als weiteren Mitstreiter konnte ich erneut Joachim, DD0ZP, dazugewinnen, der ebenfalls diesen Verstärker aufbauen möchte, aber anders als ich.

Weil das für sich genommen noch nicht schwierig genug zu werden droht, möchte ich dem ganzen noch eine „persönliche Note“ geben. Getreu dem Motto: wenn ich schon das Fliegen lerne, dann baue ich mir die Concorde eben auch gleich selber. Ob das gelingen wird, wird sich zeigen.

Die gewünschten Eigenschaften

  • Stereo-Vollverstärker
  • je Kanal vier KT88 im Parallel-Push-Pull Betrieb
  • keine Klangregelung
  • keinen Balanceregler
  • kein Kopfhörerausgang
  • ein Lautstärkeregler
  • ungefähr 2x 100Wrms
  • Mehrere Eingänge:
    • Bluetooth integriert entfällt, weil der mittlerweile vorhandene Streamer Bluetooth mitbringt
    • CD
    • Plattenspieler (über externen Phono-Pre)
    • ein Line-Eingang als Reserve (aktuell eher zwei)
  • Anzeige des ausgewählten Eingangs mittels Nixi
  • einschleifbarer Equalizer/DSP, bzw. Tape-Anschluss
  • je Kanal eine Bargraphenröhre als VU-Meter
  • ein VFD zur Anzeige von:
    • Audio-Spektrum
    • Aussteuerung
    • Ruheströme der Röhren trägt die Gefahr eines Störgeräuscheintrags
    • Heiztimer
    • Darstellung: weiß (wie Kenwood früher)
  • stummes heizen
  • alle Anschlüsse hinten, oben
  • Äußere Anmutung entfernt angelehnt an McIntosh MC2102:
    • Sichtfenster vor den Röhren
    • nur Drehregler oder Drehschalter
    • glatte Front
    • geschlossene, eckige Erscheinung
    • etwa 44cm breit, 5HE hoch

Das Werden

Die Platinen

Dankenswerter Weise hat OM Rößler die Layouts der Platinen zur Verfügung gestellt. Allerdings in Formaten, die bei Dienstleistern nicht unbedingt üblich sind; und die, die diese annehmen, möchten dann die exakten Außenmaße der fertigen Platinen wissen. Für die Netzteilplatine werden diese auch angegeben (Euroformat 160x100mm), aber leider nicht für die Endstufenplatine. Nach einigem Probieren und Nachmessen der Lochabstände bekannter Bauteile, bin ich dann bei 160x150mm gelandet. Genauer gesagt, bei 160x149mm.
Irgendwann bin ich dann zu dem Entschluss gekommen, dass ich die Platinen lieber selber anfertige und nicht herstellen lasse. Sollte es dann nicht passen, kann ich das schnell korrigieren.

Wer das auch möchte und die Platinen selber belichtet, möchte ich noch zwei Hinweise mitgeben.

Wenn man sich für die JPGs als Quelle entscheidet, dann sollte man beachten, dass diese im Ausdruck nicht die verwendbare Originalgröße aufweisen. Hier muss man erst den Skalierungsfaktor herausfinden, der aber bei einer bekannten Größe des Netzteils, leicht zu finden ist. Auch muss man darauf achten, dass der Ausdruck durch das verwendete Programm die Darstellung nicht verfälscht. So ist z.B. bei dem beliebten Programm IrfanView ein „Weichzeichner“ (Antialiasing) aktiv, was dann für unscharfe Konturen sorgt, die man dann als ausgefranste Ränder auf der Platine wieder findet.

Wenn man die PS-Datein (Postscript) verwenden möchte, sollte man sich GSView installieren. Danach beherrscht auch IrfanView das Format. Das Layout hatte bei mir auf dem Papier die korrekte Größe, aber auch hier gibt es zwei Stolpersteine.
Von Hause aus werden die Layouts, zumindest in IrfanView, mit 96dpi dargestellt. Das führt zu Treppenbildung bei Diagonalen und das Layout erscheint insgesamt sehr grob. Das lässt sich aber in IrfanView einstellen. Nachdem ich in den Postscript-Optionen eine Auflösung von 300x300dpi eingestellt hatte, war die Darstellung gut.

Allerdings traf ich dann auf Problem Nummer zwei. Das Layout ist in DIN A4 beschrieben und befindet sich auf der Gesamtseite unten, links. Das führte dazu, dass sich dieses zum Teil in dem Rand der Seite befindet, den zumindest mein Drucker nicht mehr zu Papier bringen kann. Folglich fehlten Teile des Layouts. Aber in den Druckoptionen lässt sich eine verschobene Position einstellen, womit das Layout dann z.B. in die Mitte der Seite gerückt werden kann.

Jetzt musste ich nur noch mein Ätzgerät und die notwendigen Werkzeuge wieder herrichten. Aber das wäre schon wieder ein eigener Text … 

Die Bauteile

Die Wenigsten haben alle benötigten Bauteile einfach so in der heimischen Werkstatt vorrätig und können einfach so los bauen. Ich auch nicht. Daher musste ich erst mal Listen erstellen, welche Bauteile in welcher Größe denn überhaupt gebraucht werden. Auch hier bin ich über ein paar Dinge gestolpert, was deren Verfügbarkeit anbelangt. Nachfolgen beschreibe ich die für mich wichtigsten, alles andere war marginal. Entschieden habe ich mich für die letzte Netzteilvariante.

  • Netzteil: LT1084 CP
    Dieses Bauteil ist meines Wissens nach abgekündigt und daher nur noch selten zu bekommen. Relativ leicht bekommt man in der Regel den LT1084 CT. Dieser hat allerdings kein isoliertes Gehäuse, was man entsprechend berücksichtigen muss.
  • Netzteil: C8, C9
    Im Layout scheinen Typen mit Snap-on Kontakten und einem Rastermaß von 12,5mm vorgesehen zu sein. Dazu konnte ich keine passenden finden. Lediglich mit einem Rastermaß von 10mm.
  • Netzteil: C13
    Auch hier konnte ich keinen Kondensator finden, der sowohl die elektrischen, als auch die mechanischen Eigenschaften aufweist. Was ihm am nächsten kommt, ist ein axialer Elko mit 10µF/450V und den Maßen 30x12mm, hergestellt von Fischer&Tausche (FTCAP).
  • Netzteil: Relais1
    Das Relais wird als „E3208“ angegeben, mehr nicht. Hier habe ich mich für ein Finder 40.52.9.012.0000 entschieden.
  • Verstärker: VB408
    Ganz großer Knackpunkt. Das Bauteil wurde bereits vor vielen Jahren abgekündigt und ist mittlerweile seltener, als Hühnerzähne. Wenn man noch welche findet, werden sie sehr teuer gehandelt. Einen Nachfolger oder ein Äquivalent gibt es nicht. Auch ärgerlich: das Platinenlayout verwendet den Schraubanschluss als Kontakt, was weiter einschränkt, wenn man zwecks besserer Kühlung des seltenen Bauteils, dieses gerne abseits der Platine auf einen größeren Kühlkörper anbringen möchte.
    Bekommt man dieses Bauteil nicht, muss man es durch eine entsprechende Schaltung ersetzen, wie es sie z.B. bei Tubeland gibt.
  • Netztrafo
    Für die PPP-Variante wird leider kein konkreter Typ genannt, nur der Händler und das Kernformat. Der ursprüngliche Inhaber ist mittlerweile ebenfalls verstorben und sein Nachfolger führt nichts passendes mehr. Fündig geworden bin ich dann bei BTB. Der Ringkerntrafo 49766 liefert die gewünschten Spannungen bei entsprechendem Strom. Außer, natürlich, den benötigten 9V/3A AC. Dafür braucht man einen weiteren Trafo.
  • Ausgangsübertrager
    Leider wird auch hier nur beschrieben, dass diese ebenfalls von o.a. Händler bezogen wurden und ganz toll seien. Konkreter wird es nicht. Zwar gibt es dort noch einen AÜ, der für KT88 in PPP einsetzbar ist, allerdings habe ich mich nach einiger Recherche für welche mit einem anderen Raa entschieden. So viel die Wahl dann auf Hammond 1650TA.
Der Netzeingang

Während des Einschaltens kann es zu enorm hohen Einschaltströmen kommen. Besonders in meinem Fall, weil gleichzeitig mehrere Transformatoren ans Netz gelegt werden. Wenn man vermeiden möchte, dass beim Einschalten die Haussicherung ausgelöst wird, benötigt man einen Sanftanlauf.

Die Platine, die ich mir dazu einfallen lassen habe, sieht so aus und stammt aus der eigenen Ätzanlage.

Einschaltstrombegrenzung oder auch Sanftanlauf für den Hifi Röhrenverstärker

Das Verstärkernetzteil

Mittlerweile ist auch die Netzteilplatine fertig und bestückt.

Bestückte Netzteilplatine des Hifi Röhrenverstärkers

Auf den leeren IC-Sockel kommt noch ein NE555 für die Einschaltverzögerung der Hochspannung.

Die Endstufenplatine
Eine Seite des Hifi Röhrenverstärkers mit KT88

Nicht wundern, die Röhrensockel sind auf der Rückseite befestigt.

Außerdem gibt es zwei von diesen Platinen. Die zweite sieht aber genau so aus.

Die Nixi- und Linearröhrenansteuerung
Ansteuerung für Nixi und IN-9 Linearröhren für den Hifi Röhrenverstärker

Damit die Nixi-Röhre und die beiden VU-Linearanzeigen anzeigen können und durch den Mikrocontroller angesteuert werden können, benötigt man noch etwas Schaltungstechnik. Diese Platine enthält das Hochspannungsnetzteil und die Ansteuerelektronik der Röhren.

Hier sieht man die finale Ausführung. Bis da hin hatte es einige Anläufe gebraucht.

Hilfsplatinen
Drehschalter und Lautstärkeregler auf ihren Hilfsplatinen für den Hifi Röhrenverstärker

Damit später beim Einbau in das Gehäuse die Verdrahtung einfacher fällt und bei Nachbesserungen diese einfacher zu trennen sind, haben die Bedienelemente kleine Platinen bekommen. Fast alles wird über Steckverbindungen verbunden. Lediglich die Anschlüsse für die Netzspannung, sowie die NF-Leitungen werden direkt verlötet.

Z570M Nixi, verlötet mit der Platine, die später im Hifi Röhrenverstärker verbaut wird

Um später leicht erkennen zu können, welcher Verstärkereingang als Quelle gewählt wurde, plane ich die Anzeige des gewählten Eingangs mit einer Nixi-Röhre. Dafür ist die Wahl auf eine Z570M von RFT gefallen. Dieser Typ benötigt keinen Sockel, sondern kann direkt mit dessen Anschlussdrähten auf der Platine verlötet werden.
Auch hier wird eine Steckverbindung verwendet.

Das verwendete Flachbandkabel hat einen ersten Test gut bestanden. Die Isolation scheint ausreichend zu sein und große Ströme müssen nicht durchgeleitet werden.

Planung der Bedienelemente
Mind Map für die Schalterbelegung des Hifi Röhrenverstärkers

Irgendwie muss man seine Gedanken sortieren. Besonders, wenn es um die Belegung von Schaltern mit mehreren Ebenen geht. Dazu habe ich ein Mindmap angefertigt. Das habe ich als derart hilfreich empfunden, dass ich dass mit Sicherheit künftig wieder so machen werde.

Das Controller-Board
Bestücktes Controller-Board des Hifi Röhrenverstärkers

Das finale Board in seiner ganzen Pracht. Bis es aber soweit war, war so manche harte Nuss zu knacken und Varianten zu bauen. Alles in allem bin ich mit dem Ergebnis zufrieden.
Wen es interessiert, erfährt hier mehr.

Die Quellenauswahl

Nachdem dann auch der peinliche Fehler auf der Eingangsplatine beseitigt war, konnte dann auch diese fertiggestellt werden.

Bestückte Eingangsplatine mit Pufferverstärker für den Hifi Röhrenverstärker

Auch hier wurde die Gelegenheit wieder genutzt und das Layout verbessert.
Auf dieser Platine befindet sich ein zusätzlicher Pufferverstärker, dessen Ausgangssignal für die weitere Verarbeitung für VU- und Spektrumanzeige genutzt werden soll. Damit bleibt das Eingangssignal unangetastet.

Erster Heißlauf der zusätzlichen Komponenten des Hifi Röhrenverstärkers

Steckt man alles zusammen und gibt ein Bisschen Signal drauf, dann lässt das schon erahnen, wie das alles zusammenwirken soll. Das Display wird noch durch ein neues ersetzt, aber das alte genügt zum Ausprobieren.

Eine Anmerkung zu den Linearröhren IN-9. Wenn man diese erwirbt, dann sind sie in der Regel über 40 Jahre alt. Besser werden sie dadurch nicht. Ich hatte ein paar Exemplare dabei, die nur auf eine Leuchtfadenlänge von 5cm kamen. Die allermeisten konnten aber auf etwa 9cm gebracht werden. Dazu wurden sie für etwa eine Stunde maximal angesteuert. Ganz allmählich wurde der Faden dann länger. Man braucht aber Geduld.
Von alten Röhren ist mir bekannt, dass man sie durch Gettern oftmals wieder nutzbar machen kann. Daher gehe ich davon aus, dass es sich bei der IN-9 ähnlich verhält. Wahrscheinlich gilt das auch für die IN-13.

Etwas heißes :-)

Sehr hilfreich war bei den ganzen Versuchen eine Wärmebildkamera. Anstatt an den ganzen Bauteilen der Reihe nach zu fühlen, welches wohl wärmer wurde als beabsichtigt, konnte man es sehen. Zum einen kann man so vermeiden, dass man versehentlich an Teile mit höherer Spannung greift, zum anderen lässt sich so auch schön beobachten, welchen Weg der Strom nimmt und ob die Wärmeverteilung in Ordnung ist.

Ach ja, auch der Kaffee lässt sich damit ganz prima überwachen.

Platzprobe für das Gehäuse des Hifi Röhrenverstärkers

Legt man mal alles, was verbaut werden soll, auf eine Unterlage, die den künftigen Abmaßen des Verstärkers entspricht, dann merkt man schnell, dass es ziemlich eng werden wird. Das bedeutet, dass in Etagen gebaut werden muss, aber dabei nicht vergessen werden darf, dass einige Teile einfach nicht eng beieinander sein dürfen, da man sich sonst einen satten Brumm einfängt.

Ich bin gespannt, ob das gelingen wird.

Damit es auch ein Bisschen zu sehen gibt, werden zwei VFDs verbaut. LCDs wären wohl am Thema vorbei gewesen. Neben eines VU-Meters und dem Audiospektrum sollen darauf auch Messwerte für den Abgleich der Audioeingänge angezeigt werden.

Beide Anzeigen sind hier bereits auf einen gemeinsamen Träger montiert und werden so auf der Montagefront verschraubt. Die Montagefront soll später so etwa 3cm nach innen versetzt sein und neben den Anzeigen auch die Drehschalter und den Lautstärkeregler aufnehmen.

Fortsetzung folgt.