Kolossos Evo2

Nachdem ich mich entschlossen hatte, die Schaltung von Herrn Rößler zum Grommes 260A aus Jogis Röhrenbude nachzubauen und die Platinen dazu schon fertig waren, hatte mich der Ehrgeiz gepackt, auch zu verstehen, was ich da gerade baue. Also wurden Bücher gekauft, Webseiten durchgearbeitet und über Schaltbilder gebrütet. Irgendwann packt einen dann der Wahnsinn und man glaubt, man wüsste es besser. Quasi eine Evolution des vorhandenen.
Das ist dann so knapp vor Größenwahn.

Die Ausgangssituation

Was mir dabei aufgefallen ist, oder anders gesagt, was mir seltsam vorkam, sind unter anderem die folgenden Punkte.

  • R25 – 28: Diese Widerstände sollen eigenständiges Schwingen vermeiden. Von HF Verstärkern kenne ich das auch. Dort werden die Widerstände für die Anodenspannung von Spulen überbrückt.
    Hier ist das insofern ungewöhnlich, da ich diese Form von Anodenwiderständen in keiner anderen ähnlichen Schaltung finden konnte.
  • Schirmgitterwiderstände: Was allerdings bei so gut wie allen moderneren Schaltungen vorhanden ist, sind Schirmgitterwiderstände. Diese fehlen hier vollständig.
  • R21, 22: Je Halbwelle besitzt die Schaltung zwei parallelgeschaltete Endröhren. Für beide gibt es aber nur einen gemeinsamen Kathodenwiderstand. Das bedeutet, das man die jeweiligen Ruheströme nicht sauber je Röhre feststellen kann. Außerdem empfinde ich ihn als Shunt mit 1 Ohm etwas niedrig bemessen für einfachere Messmittel. 10 Ohm dürften hier nicht schaden, bieten aber eine bessere Messbarkeit.
    Womit wir beim nächsten Punkt wären.
  • Ruhestromeinstellung: So, wie es im Original von Herrn Rößler ist, ist das Einstellen der Ruheströme einfach und komfortabel. Aber, wie ich finde, nicht gut. Es lässt sich immer nur der Gesamtruhestrom für jede Halbwelle einstellen. Zeigen die beteiligten Röhren nicht ein genau gleiches Verhalten, wird eine immer mehr beansprucht, als die andere. Wegen R21 und R22 kann man das aber auch nicht ohne weiteres feststellen.
  • R15, R23 und R18, R24: Die Vorwiderstände der Steuergitter liegen in Reihe. Ob das nun eine Relevanz hat, oder nicht, diese Art der Verschaltung ist mir nirgends sonst begegnet. Da so gut wie kein Strom in die Steuergitter fließen sollte, sollte der Fakt keine Bedeutung haben. Mein innerer Monk hat mich aber angeschrien, dass das so nicht bleiben sollte.
  • Im Gegenkopplungspfad fehlte mir ein Kondensator für die höheren Frequenzen.
  • VB408: Dieser Spannungsregler ist seit gut zwanzig Jahren abgekündigt. Wenn man noch welche bekommt, dann zu sehr hohen Preisen und oftmals aus fragwürdiger Quelle. Er sollte durch einen konventionelleren Ansatz ersetzt werden.
  • C8, R38: Sie dienen der Siebung der Anodenspannung. Bei den alten Netzteilvarianten mögen sie durchaus ihre Berechtigung gehabt haben. Bei der Netzteilvariante mit Stabilisierung der Anodenspannung dürfte das aber nicht mehr notwendig sein.
    Außerdem wird dadurch, zusammen mit den Anodenwiderständen, der Anodenspannung ein Serienwiderstand von ca. 150 Ohm hinzugefügt. Das scheint mir ungünstig zu sein.

Nach wie vor bin ich weit davon weg, in der Röhrentechnik zu Hause zu sein und so würde ich gerne Herrn Rößler befragen können, was ihn zu der ein oder anderen Designentscheidung geführt hat. Da er leider schon verstorben ist, geht das nicht mehr.
Ich bin ihm aber in jedem Fall für das Projekt dankbar und kann mir nun meine eigenen Gedanken dazu machen.

Wo auch immer sie mich hin führen mögen.


Anpassungen

Abgesehen von ein paar Werten, habe ich in der Hauptsache die folgenden Dinge geändert.

  • Alle Widerstände in Anodenpfad werden ersatzlos entfernt. Ich möchte gerne, dass so viel Leistung wie möglich in ein Nutzsignal umgesetzt wird und nicht in rhythmische Wärmeabgabe.
  • Die Steuergitter bekommen ihren eigenen Vorwiderstand und ihre eigene Koppelkapazität.
  • Jede Endröhre bekommt ihren eigenen Kathodenwiderstand, der dann 10 Ohm beträgt.
  • Jede Endröhre bekommt ihre eigene Arbeitspunkteinstellung. Der Abgleich wird dadurch zwar aufwändiger, aber es ist in meinen Augen richtiger.
  • Die Schirmgitter erhalten jeweils Vorwiderstände.
  • Die Potis werden durch Mehrgangpotis ersetzt.
  • Als DC-Block kommt ein Kondensator in den Eingang, falls eine Quelle Gleichspannung führt.
  • Die Heizungen der Endröhren werden je Halbwelle in Serie geschaltet und mit 12,6V betrieben. Auf der Trafo-Seite werden dazu die beiden vorhandenen 6,3V Wicklungen in Reihe geschaltet, wobei deren Mittelpunkt gegen GND gelegt wird. Letzteres mache ich aber abhängig von eventuellem Brumm.
  • Der VB408 wird durch eine Stabilisierung ersetzt, ähnlich der, wie sie für die Anodenspannung eingesetzt wird.
  • Die mechanischen Dimensionen und die Positionen der Befestigungslöcher und der Röhrensockel soll erhalten bleiben.

Bestimmt werden jetzt einige erfahren Röhrenbauer mit den Augen rollen. Sollte dem so sein, schreibt mir bitte eine Mail. Ich wäre dankbar dafür.

Natürlich muss dafür ein neues Schaltbild gezeichnet werden und natürlich auch eine neue Platine erstellt werden. Letztlich ist das mein Plan-B. Ob er zu Plan-A wird, wird sich zeigen.

Die Kolossos-Schaltung

Der Bereich vor der Endstufe ist weitestgehend unangetastet geblieben, aber die Endstufe ist nun etwas konventioneller gestaltet.

Der VB408 wird nun durch diese Schaltung ersetzt. Ob die Auswahl der Z-Dioden passt und ob Brummspannung gut genug unterdrückt wird, wird sich zeigen müssen. Letztlich hat man früher nie so ein Aufhebens darum gemacht.

Dank KiCAD kann man sich ein Bild von der Platine machen, noch bevor diese real existiert. Das ist während des Layouts sehr hilfreich.

Den FET, der an der vorderen Kante sitzt, kann man zur Kühlung entweder an das Gehäuse schrauben, oder einen Kühlkörper befestigen. Ganz, wie es am besten passt.

Fortsetzung folgt.